Worauf wir uns nach dem rassistischen Anschlag in Hanau besinnen sollten

In Hanau sind Menschen ermordet worden. Junge Leute, die ihre Familie, Freunde, Lebensgeschichten, Gefühle, Träume für ihr Leben zurücklassen mussten. Sterben mussten sie ganz offensichtlich aufgrund ihres Migrationshintergrundes. Das allein genügte dem mutmaßlichen Täter, sie zu ermorden, bevor er seine Mutter und sich selbst tötete.

Die Tat löste Schock und Entsetzen im ganzen Land aus. Die Anteilnahme der Gesellschaft mit Mahnwachen und Demonstrationen war groß und nach meinem Empfinden trostspendend für Migrantinnen und Migranten in ganz Deutschland. Was dieser rassistische Anschlag bei Menschen unterschiedlicher Herkunft an Ängsten auslöst, kann sich sicher jeder vorstellen.

Gut ist, wenn Politiker vom Bundespräsidenten bis zu Bürgermeistern ihr Beileid aussprechen, die Tat verurteilen und dem Rassismus den Kampf ansagen. Nicht gut ist allerdings, wenn verschiedene Gruppierungen dieses rassistische Verbrechen für ihre eigene politische Agenda nutzen wollen – egal aus welcher politischen Richtung sie kommen.

Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen

Leider waren an den beiden Demonstrationen am Wochenende nach der Tat in Hanau inmitten der Anteilnahme der vielen tausend Besucher auch Parolen zu vernehmen, die dort nicht hingehörten. Der Täter schoss wahllos auf Migranten. Es kann also nicht sein, dass gleich danach verschiedene Gruppierungen ethnische und politische Konflikte befeuern. In Hanau geht es nicht um Erdogan, nicht um Kurden, nicht um Kapitalismus oder Sozialismus. Rassismus ist das Thema. Und der kann uns alle treffen. Daher müssen wir auch alle zusammenstehen, statt den Hass zu befördern.

Nicht gut ist auch, wenn Kommentatoren – sicher meist ohne es böse zu meinen – reflexartig bei den Opfern von „Ausländern“ sprechen. Das verstärkt das ungute Gefühl, nicht dazugehören zu dürfen. Alle Menschen, die hier leben, sind Teil der Gesellschaft, egal welcher Herkunft sie sind. Das gilt im Übrigen auch für diejenigen, die erst seit kurzer Zeit hier leben.

Alle vernünftigen Menschen wollen den Rassismus bekämpfen. Man hat den Eindruck: Jetzt mehr denn je. Das gelingt jedoch nur, wenn wir alle unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht einander auf Augenhöhe und ohne Vorurteile begegnen. Wer Vorurteile bedient, ist vielleicht noch kein Mörder. Doch die Summe der vielen Vorurteile, Benachteiligungen und Diskriminierungen lässt ein gesellschaftliches Klima entstehen, das zu solchen Katastrophen wie in Hanau beiträgt.

Wir dürfen daher nicht zulassen, dass das gesellschaftliche Klima weiter angeheizt wird. Ob Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, Gewerkschaften, Sozialverbände, Religionsgemeinschaften, Wirtschaft, politische Parteien: Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen. Es gilt mehr denn je, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren und den Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen.

Wir brauchen ein breites Bündnis gegen den Rechtsextremismus

Vor dem Hintergrund ist es schwer verständlich, dass das Bundesförderprogramm Demokratie Leben nicht in dem Maße weitergeführt wird, wie bisher. Zu viele sinnvolle Projekte sind zum Erliegen gekommen. Keine einzige Migrantenorganisation wird derzeit mehr gefördert. Wir brauchen dringend Programme wie solche, die zur Extremismusprävention beitragen. Dazu muss die Bundesregierung schnellstmöglich die gesetzlichen Grundlagen schaffen und die Mittel dafür bereitstellen.

Niemand sollte auf Scharfmachern aus welchem politischen Lager auch immer hören. Nur in der Demokratie können Menschen auf friedliche Weise ihren Interessen Geltung verschaffen und ihr Leben so gestalten, wie sie es wollen. Kein anderes politisches System bietet das an. In Hanau sind Menschen von uns gegangen – und mit ihnen ihre Träume für ihr Leben. Daran sollten wir uns stets erinnern. Wir brauchen keine Sektierer. Wir brauchen keinen ausufernden Streit unter Demokraten. Wir brauchen ein breites Bündnis für Demokratie und gegen den Rechtsextremismus. Ein solches Bündnis sollte konkretes Handeln befördern. Mahnende Worte allein reichen nicht.

Arif Arslaner

Der Autor ist Geschäftsführer des Vereins für Kultur und Bildung (KUBI) in Frankfurt am Main und lebt seit 1979 in Deutschland.

Über KUBI

Der Verein für Kultur und Bildung (KUBI e.V.), Frankfurt am Main, verfolgt das Ziel, die schulischen und beruflichen Integrationschancen von jungen Menschen gleich welcher Herkunft zu verbessern und die Verständigung über Kulturgrenzen hinweg zu fördern. Dazu realisiert KUBI viele Angebote und Projekte von der Berufsorientierung über berufliche Bildung und Ausbildungscoaching bis hin zu Erziehungshilfen sowie Integration und die Betreuung von Geflüchteten. Darüber hinaus unterstützt KUBI auch Unternehmer der Migrantenökonomie. Der Verein ist Initiator und Impulsgeber für viele neue Konzepte – wie aktuell mit „Jugendhilfe in der Schule“ – und eng mit der Bildungs-, Integrations- und Sozialarbeit der Stadt Frankfurt verbunden. KUBI wurde 1993 von Deutschen und Türken gegründet und zählt heute zusammen mit seiner Tochtergesellschaft BIKU gGmbH rund 200 Mitarbeitende aus 16 Nationen.  

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